Im Frühjahr 2024 wurde in Indien und Tansania eine umfassende Baseline-Studie von den lokalen Teams initiiert – ein gemeinsamer und wichtiger Schritt, um die aktuellen Realitäten und Herausforderungen im Feld noch besser verstehen und reflektieren zu können. Ziel der Baseline-Studie ist es, die Wirksamkeit bestehender Programme und Projekte zu prüfen, um diese für eine zukunftsfähige Ausrichtung gezielt weiterzuentwickeln. Dabei war es für uns – die bioRe Stiftung Schweiz – zentral, dass für die Durchführung der Baseline-Erhebung die lokalen Organisationen im Lead sind. Diese starke Eigenverantwortung und lokale Verankerung der Studie ermöglichte es den lokalen Fachkräften, neue Perspektiven einzunehmen, und entfachte einen kreativen und zielorientierten Dialog in den verschiedenen Fachbereichen der Länderorganisationen.
Die Ergebnisse der Baseline-Studie in Indien und Tansania wurden von den lokalen Organisationen in 5 Kerndimensionen eingeteilt:
- Unabhängigkeit
- Einkommen, Diversifizierung und Kontrolle
- Kompetenz
- Mitsprache in Entscheidungsprozessen
- Selbstwahrnehmung und Selbstwirksamkeit
Fazit der Baseline-Studie
Die Studie hat uns klar gezeigt, dass Empowerment kein Ziel, sondern ein Prozess ist. Ein Ausdruck gelebter Selbstermächtigung ist es, wenn Menschen sich selbst reflektieren und Verantwortung für ihre eigenen Entscheidungen und Strukturen übernehmen. Diese 5 Kerndimensionen, mit welchen das Ergebnis der Studie erfasst wurden, helfen dabei, Maßnahmen zur Selbstermächtigung in Zukunft nicht nur gezielter zu fördern, sondern auch messbar zu machen. Die Grundlagenstudie ist ein bedeutender Meilenstein in der Weiterentwicklung unserer Zusammenarbeit mit unseren Partnern in Tansania und Indien. Sie steht für die wachsende Unabhängigkeit der Länderorganisationen. Die resultierenden Kerndimensionen aus der Befragung der Bäuerinnen und Bauern haben gezeigt, dass die bioRe-Länderorganisationen mit ihren Aktivitäten und Projekten auf dem richtigen Weg sind und weiter ausgebaut werden müssen.

Feldarbeit in Ahilyapura, Indien Foto: © Lara Lone, 2025
Informationen zur Studie in Indien
Titel: «Baseline-Studie zur Entwicklungsarbeit der bioRe Association India (2024–2025)», 126 Seiten, EN
Durchführende Organisation: bioRe Association India, Kasrawad, Madhya Pradesh
In Zusammenarbeit mit: Remei India (ehemals bioRe India Limited) Autor: Anju Manikoth
Fördergeber: bioRe Association India, mit finanzieller Unterstützung durch die bioRe Stiftung Schweiz
Laufzeit: Juni 2024 – Januar 2025
Zielregion: Nimar-Region, Madhya Pradesh, Indien (Zonen: Kasrawad, Maheshwar, Nimrani, Rajgarh, Bilali, Sirpur)
Methodik: Qualitative Baseline-Studie, teilstrukturiert
Datenerhebung: Interviews mit 33 Landwirt:innen (repräsentativ über 6 Zonen verteilt), unstrukturierte Interviews mit Schlüsselpersonen der Organisation, Fokusgruppen mit Farmer:innen und Empowerment-Team, Desk Research und Beobachtung vor Ort
Download Baseline Study as pdf, EN (126 Seiten, 4.4 MB)

Feldarbeit in Mwamishali, Tansania
Informationen zur Studie in Tansania
Titel: «Baseline Survey Report on the New Empowerment Program», 53 Seiten, EN
Durchführende Organisation: bioRe Foundation Tanzania, in Zusammenarbeit mit Remei Tansania
Autor: Albert Tibaijuka
Fördergeber: bioRe Foundation Tanzania, mit finanzieller Unterstützung durch die bioRe Stiftung Schweiz
Laufzeit der Studie: Mai 2024 – Dezember 2024
Zielregion: Meatu District, Simiyu Region, Tansania (insgesamt 32 Dörfer, u. a. Mwamishali, Mwamatiga, Mwambegwa)
Methodik: Mixed Methods (quantitativ + qualitativ)
Datenerhebung: 32 Farmer:innen (50 % Frauen), Interviews auf Dorfebene; Fokusgruppe mit 25 Farmer:innen (Mwamishali); Interviewrunde mit 18 Schlüsselpersonen (z. B. Lead Farmers, Projektleitende, PRB-Mitglieder)
Download Baseline Study als PDF, EN (53 Seiten, 1.9 MB)
Die 5 Kerndimensionen zur Selbstwirksamkeit
Die 5 Kerndimensionen als Resultate der Studie, ihre Herleitung für zukünftige Wirkungsmessungen und was diese bedeuten für die Arbeit der Stiftung:
1. Unabhängigkeit
Viele Bäuerinnen und Bauern sind unter Druck, da ihr Einkommen nach wie vor stark von der Biobaumwolle abhängig ist. Unabhängigkeit heisst für die Gemeinschaften vor Ort, Lebensgrundlagen eigenständig absichern zu können und Wahlmöglichkeiten in der wirtschaftlichen Absicherung zu haben. Die Menschen wünschen sich weitere Einkommensquellen nebst dem Biobaumwollanbau. Stark mit der Dimension Unabhängigkeit korreliert die Dimension Einkommen, Diversifizierung
Was die Stiftung macht:
Die Stiftung unterstützt mit ihren Workshops zu Entrepreneurship die Möglichkeit für Einkommensdiversifizierung.
2. Einkommen und Diversifizierung und Kontrolle
Damit Bäuer:innen und ihre Familien widerstandsfähiger gegenüber Krisen sind, insbesondere der klimatischen Veränderungen und damit einhergehenden Risiken von Ernteausfällen, ist es wichtig, das Einkommen nicht nur zu steigern, sondern durch Diversifizierung zu sichern
Was die Stiftung macht:
Unser Ziel als Stiftung ist es, Voraussetzungen zu schaffen, damit Mitglieder von Bauernfamilien ihre Lebensgrundlagen eigenständig sichern können, ohne ausschliesslich abhängig von einer erfolgreichen Biobaumwollernte zu sein. Unabhängig handeln zu können sehen wir als zentrale Voraussetzung für nachhaltige Entwicklung. Diese Ergebnisse haben uns als Stiftung gestärkt, die Komponenten Biodiversität und Entrepreneurship / Unternehmertum noch weiter zu stärken. Konkret: Ausbau von Agroforestry-Projekten (als aktive Massnahme für den Erosionsschutz der Böden und gleichzeitig wichtige Ernährungsquelle der Bauernfamilien) und Workshop für Frauen im Bereich «alternative Einkommensquellen und Unternehmertum», Förderung der wirtschaftlichen Eigenständigkeit der Frauen.
3. Kompetenz
Die Dimension der Kompetenz umfasst Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Bäuer:innen und ihre Familien benötigen, um ihre Lebensgrundlagen nachhaltig zu sichern und sich weiterzuentwickeln. In der Umfrage der Baseline-Studie ist deutlich herausgekommen, dass die Bäuerinnen und Bauern ihre Kompetenzen weiter stärken und aufbauen möchten.
Was die Stiftung macht:
Der Kompetenzaufbau fördert die bioRe Stiftung in den verschiedenen Komponenten der Stiftung:
- Baumwoll-Training: Ganzheitlicher Ansatz für Training im biologischen Landanbau; Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit, Aufbau von Biodiversität, Fruchtfolgen, GVO-freien Saatgut und natürlicher Schädlingskontrolle
- Bildung: Über die bioRe Animationsschulen und die bioRe Public School fördern wir insbesondere aktiv die Kompetenzbildung der Kinder in den Gemeinschaften. Der Zugang zu Bildung hat sich im Laufe der Zusammenarbeit vor Ort und als Antwort auf das lokale Bedürfnis entwickelt. Dies zu ermöglichen und zu stärken, ist ein integraler Bestandteil des Auftrags der bioRe Stiftung.
- Kompetenzstärkung der Frauen / Entrepreneurship: Konkrete Frauentrainings im Biobaumwollanbau und das Stärken ihrer Rollen, insbesondere über die Komponente Unternehmertum.
4. Mitsprache in Entscheidungsprozessen
Die Gemeinschaften wollen aktiv an Entscheidungsprozessen mitwirken und Mitverantwortung übernehmen. Der Einbezug und die Partizipation der betroffenen Gemeinschaften in der Planung und Umsetzung von Projekten und Aktivitäten ist ein grosses Bedürfnis.
Was die Stiftung macht:
Die bioRe Stiftung verfolgt seit ihrer Gründung einen Bottom-up-Ansatz und setzt auf die Stärkung lokaler Steuerungskompetenz, im Verständnis, dass Partizipation eine zentrale Voraussetzung ist, um Entscheidungsmacht nachhaltig zu verlagern.
5. Selbstwahrnehmung und Selbstwirksamkeit
Selbstwahrnehmung beschreibt das Bewusstsein für die eigene Rolle, Werte und Stärken. Sie beruft sich auf die eigenen Erfahrungen und die Erkenntnis, etwas durch das eigene Handeln bewirken und verändern zu können. Selbstwahrnehmung und Selbstwirksamkeit sind wichtig, um das nötige Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu gewinnen, um Entscheidungen zu fällen, Ziele zu verfolgen und Erlerntes mit anderen zu teilen. Für die Bäuerinnen und Bauern ist es wichtig, dass sie in den Projekten und Aktivitäten eine aktive Rolle spielen, so einen wichtigen Beitrag leisten und Einfluss im eigenen Umfeld und innerhalb der Gesellschaft nehmen.
Was die Stiftung macht:
Aufgrund der Erkenntnisse der Baseline-Studie setzen die Länderorganisationen neu bewusst auf die Präsenz und Stärkung von sogenannten lokalen Schlüsselpersonen. Das sind Brückenbauerinnen und -bauer, die aus den lokalen Gemeinschaften hervorgehen und Aufgaben in den Aktivitäten der bioRe Organisationen übernehmen. Sie übernehmen Rollen wie «Workshop-Leiterin», «Trainerin» oder «Vorreiter-Unternehmerin». Die bioRe Länderorganisationen unterstützen diese Menschen in ihren Rollen, damit sie die besten Lösungen für ihre Gemeinschaft selbst entwickeln können. Hier besteht noch viel Potenzial für die zukünftige Gestaltung des Programms und der Aktivitäten.
(Gerne verschicken wir pdfs der Studie auf Anfrage.)
